
Es gibt Gerichte, die die Geschichte einer Gegend besser erzählen als jede Postkarte. Spargel mit Tiroler Schinken, gedämpften Kartoffeln und Bozner Sauce ist eines davon: ein perfektes gastronomisches Fresko aus Südtirol, wo italienische und mitteleuropäische Traditionen in einer Harmonie von Aromen verschmelzen, die den Gaumen verzaubert.
Frühling auf dem Teller
Wenn die ersten Spargeltriebe noch vom Morgentau frisch aus der Erde sprießen, wird in Südtirol ein kulinarisches Ritual zelebriert, das nach Wiedergeburt schmeckt. Spargel – der unbestrittene Protagonist des Frühlings – ist das schlagende Herz dieser Zubereitung, in der seine zarte pflanzliche Süße auf den starken Charakter des Tiroler Schinkens trifft.
Ich habe mich für Terlaner Spargel entschieden, der auf den sandigen Böden entlang der Etsch wächst und für seine Zartheit und das subtile Haselnussaroma bekannt ist, das ihn einzigartig macht. Ich koche sie einfach, dämpfend, um ihr Aroma und die Textur zu bewahren, die weich, aber dennoch knackig sein muss – ein verkochter Spargel ist wie ein Gedicht ohne Rhythmus.
Der Dialog der Aromen
Der Tiroler Schinken mit seinem rosa Fleisch und dem weißen Fett, das seine Konturen umrahmt, umhüllt den Spargel wie eine schmackhafte Umarmung. Dies ist nicht irgendein Schinken: Durch die Reifung in großer Höhe, wo die reine Bergluft seine Fasern durchdringt, erhält er einen Duft, der an Nadelwälder erinnert, und jenen entschiedenen, aber nie aufdringlichen Charakter, der die Menschen dieser Täler auszeichnet.
Gedämpfte Kartoffeln – ich wähle immer die gelbfleischigen aus dem Pustertal – verleihen eine weiche Textur und einen erdigen Geschmack, der die Frische des Spargels unterstreicht. Ich lasse sie mit der Schale dran und zerdrücke sie beim Servieren leicht mit einer Gabel, damit sich die Sauce besser auffangen lässt und die Schärfe langsam abgegeben wird.
Die Königin des Gerichts: Bolzanina-Sauce
Aber es ist die Bolzanina-Sauce – oder Bozner Sauce, wie sie hier genannt wird – die dieses Gericht in eine Symphonie der Aromen verwandelt. Diese samtige Emulsion vereint die zarte Säure des Apfelessigs aus den Südtiroler Tälern mit der Reichhaltigkeit des Eigelbs in einer perfekten Balance, die durch einen Hauch Senf, fein gehackten Schnittlauch und eine Prise Kreuzkümmel, die an die Tiroler Tradition erinnert, noch verstärkt wird.
Ich bereite ihn frisch zu und arbeite sorgfältig, um die seidige Konsistenz zu erreichen, die wie Frühlingsschnee über den Spargel gleitet und jeden Bissen mit einer Welle umhüllenden Geschmacks bereichert. Das Geheimnis liegt im nativen Olivenöl extra, das langsam und tröpfchenweise hinzugefügt werden muss, während geduldig gerührt wird – mit derselben Geduld, mit der die Natur uns ihre besten Früchte schenkt.
Ein Gericht, drei Kulturen
Was ich an dieser Zubereitung liebe, ist ihre Fähigkeit, die kulturelle Identität Südtirols zum Ausdruck zu bringen: der Spargel, der nach italienischer Tradition gefeiert wird, der Schinken, der die Sprache der Tiroler Täler spricht, die Kartoffeln, die an die bäuerliche Wesentlichkeit erinnern, die all diesen Ländern gemeinsam ist, und schließlich die Soße, die mit ihrer Raffinesse an die Eleganz der österreichischen Küche erinnert.
Jedes Element hat seine eigene, präzise Stimme, doch zusammen bilden sie einen harmonischen Chor, der die Artenvielfalt und den kulturellen Reichtum dieses Grenzlandes feiert.
Die Freude an der Einfachheit
Die Schönheit dieses Gerichts liegt in seiner Einfachheit. Es gibt keine komplizierten Techniken oder aufwendige Präsentationen – nur hervorragende Zutaten, die auf gegenseitigen Respekt stoßen. Das leuchtende Grün des Spargels, das zarte Rosa des Schinkens, das warme Gelb der Kartoffeln und die cremige Farbe der Sauce ergeben ein Bild, das zuerst die Augen, dann die Seele und schließlich den Körper nährt.
Servieren Sie es warm an einem Frühlingstag, wenn das Sonnenlicht durch die ersten Knospen der Bäume fällt und uns daran erinnert, dass die Natur mit ihrer zyklischen Großzügigkeit unser größter Kochlehrer ist.
Guten Appetit!
Küchenchef Pietro Pini